Von Zweinutzungshühnern und Bruderhähnen
Wir möchten eine nachhaltigere Landwirtschaft und einen achtsamen Umgang mit Tieren. Dafür müssen viele derzeitige Strukturen grundlegend überdacht werden und VerbraucherInnen sollten bereit sein, den Wandel, den sie sich wünschen als Konsumentinnen auch mit ihren Kaufentscheidungen zu unterstützen. Am Anfang stehen aber häufig Projekte und Versuche, die das Potenzial einzelner Ideen zu ergründen versuchen. Denn nur auf einer guten Datenlage und vielen praktischen Erfahrungen können Ideen den Weg in die Praxis finden. Wenn wir Methoden wie das extrem frühzeitige Töten männlicher Küken ablehnen, wird dies massive Auswirkungen auf die Geflügelzucht, die Eierproduktion und viele weitere Zweige des Landwirtschafts- und Ernährungsgewerbes haben. Es lohnt sich zu forschen, ob alte Rassen, die sogenannten “Zwei-Nutzungs-Hühner” einen Betrag für die nachhaltige Agrarwende bringen können. Diese Rassen zeichnen sich zumeist durch ein langsameres Wachstum der Tiere aus. Die weiblichen Tiere haben eine recht gute Legeleistung und die männlichen Tiere setzen ausreichend Fleisch an, um gute Brathähne zu werden. Warum also sind diese Rassen heute fast vergessen und oft sogar vom Aussterben bedroht?
In unserer sehr ausdifferenzierten, modernen Produktionslogik wurde lange auf extrem ausdifferenzierte Züchtungen gesetzt. Entweder auf Legehennen, die eine extrem hohe Eierproduktion sicherstellen, oder auf Hähnchen, die um ein vielfaches schneller wachsen als andere Rassen und sehr viel Fleisch in sehr kurzer Zeit ansetzen. Jeweils nur die männlichen oder nur die weiblichen Tiere sind dann von Interesse, denn die Männchen der Lege-Rassen setzen nicht genug Fleisch an und die Weibchen der Masthähnchen legen nicht genug Eier. Häufig werden die nicht gewünschten Tiere daher direkt nach dem Schlupf aussortiert und nicht aufgezogen. Die KundInnen haben bei lange immer günstigeren Preisen bei Eiern und Hähnchenfleisch zugegriffen und auch heute ist das Umdenken eher zaghaft. Initiativen, die Zweinutzungsrassen wieder bekannt machen möchten, brauchen daher Unterstützung.
Die Slow Food Bewegung setzt sich für gute, saubere und faire Lebensmittel ein. Das “Slow” versteht sich als bewusste Gegenbewegungen gegen immer schnellere, billigere und problematischere Trends auf dem Fast Food Markt. Lebensmittel sollen geschätzt werden und die Herstellung mit den Ansprüchen an Nachhaltigkeit für die Umwelt und Fairness für die Produzenten zusammen gedacht werden. Wir als Slow Food Lausitz Convivium engagieren und ehrenamtlich in der Slow Food Bewegung. Gemeinsam mit vier anderen “Foodis” darf ich im Vorstand in der Lausitz aktiv Ideen einbringen, vor allem aber MacherInnen unterstützen, vernetzten und fördern. Jeder und jede von uns bei Slow Food Lausitz hat Netzwerke und Kontakte, Fähigkeiten und Erfahrungen in die gemeinsame Arbeit eingebracht. An dieser Stelle kommen wir wieder zu den Zweinutzungshühnern und Bruderhähnen, denn wir sind oft AnsprechpartnerInnen für Akteure, die sich an uns wenden.
Die Sundheimer gehören zu den ältesten Rassen und überzeugten lange mit besonderer Fleischqualität und einer guten Legeleistung. Leider sind diese Tiere heute fast in Vergessenheit geraten. Aber nicht nur Hobbyzüchter und Kleinbetriebe versuchen diese Rassen neu zu etablieren und sich für deren Vermehrung und die systematische Aufzucht der Bruderhähne einzusetzen. Es gibt dazu auch Forschungsvorhaben und Praxisprojekte. Eine Akteurin, die sich in dem Bereich engagiert, wendet sich an Slow Food Lausitz. Neben der Erforschung ist ihr Ziel der Aufbau eines Betriebs für nachhaltige Eierproduktion und sie sucht nach Wegen, die Bruderhähne in der Region zu einem angemessenen Preis zu vermarkten. Der Aufbau einer regionalen Wertschöpfungskette ist nicht einfach und mit vielen bürokratischen, logistischen und rechtlichen Hürden gespickt. Eine Vorständin von Slow Food Lausitz, die in der Gemeinschaftsverpflegung arbeitet, ermöglichte die Abnahme der ersten, schlachtreifen Bruderhähne. Wir wollen zudem den engen Kontakt mit der Produzentin suchen und sie bei ihrem Projekt unterstützen. Wenn es klappt, darf ich euch bald zu einer Online Veranstaltung zu Thema einladen! Vorerst aber haben wir Vorstandsmitglieder uns auch kulinarisch dem Thema Sundheimer gewidmet und der Bericht dazu taucht dann natürlich bei Ein Korb voll Glück auf 😉