Ein Korb voll Glück

#wirsindderosten

Als Geschäftsführerin leite ich heute eine Stiftung für Industriekultur, die ich selbst entwickelt und gegründet habe. Gegenwart gestalte ich, indem ich für Herausforderungen Lösungen konzipiere und umsetze. Zukunft entwickle ich, indem ich relevante Fragen thematisiere und bearbeite. Privat setze ich mich für das Thema regional, saisonal, nachhaltig und fair Genießen in der Lausitz mit meinem Herzensprojekt „Ein Korb voll Glück“ ein, mit dem ich Produzenten und Direktvermarkter unterstütze. Beide Themen verbindet, bei allen Unterschieden, dass sie basisnahe und unmittelbare Alltagskultur sind, durch die ich Menschen erreichen und an einer positiven regionalen Identität mitwirken kann.

Chancen und Herausforderungen haben mich immer interessiert, nicht Kilometern. Das für mich interessanteste Studium lag Sinne des Wortes „nahe“, ein Zufall. Für berufliche Aufgaben habe ich nach Möglichkeiten gesucht, Konzepte aufbauen und Lösungen neu entwickeln zu können, das reizt mich bis heute an meinem Job. Gute Netzwerke und interessante Menschen bieten dir die Möglichkeit, dich und deine Arbeit zu reflektieren, egal wo du bist. Selbst entwickelte Projekte und Strukturen lassen dich langfristig wachsen und sorgen dafür, dass du nie auslernst. Ich mag die Verbindlichkeit, die durch Verantwortung entsteht und die Chance, Selbstwirksamkeit zu erfahren. Wen kümmert da die Postleitzahl?

Ich sehe mich als Kind einer Umbruchszeit und bin als Suchende aufgewachsen. Es gab keine feststehenden Wahrheiten, Sicherheiten wurden fragil, alles konnte jederzeit infrage gestellt werden und die Realitäten änderten sich beständig. „Ostdeutsch-sein“ ist eine Fassette der möglichen Konstruktion von Identität. Ich empfinde sie als Bestandteil, aber nicht als Dominate meiner Biografie. Das Prägendste war vielmehr die Erfragung, das Selbstbewusstsein und Selbstverständnis kontinuierlich erarbeitet werden müssen. Die mediale Debatte thematisiert den Aspekt Ostdeutscher Herkunft stärker als andere Komponenten eines Werdegangs, ich empfinde das als Ungleichgewicht. 

„Beschreiben Sie ihr Verhältnis zu Autorität“ war die beste Frage, die mir in Bewerbungsgesprächen je gestellt wurde und ich denke, meine Antwort basiert auf verschiedensten biografischen Erfahrungen. Ich bin positiv aufgeschlossen gegenüber einer Autorität, die aus Leistung und Fähigkeiten, Engagement und Erfahrung erwächst. Ich stehe Autorität skeptisch gegenüber, die sich aus Titeln, Behauptungen oder Herkunft zu generieren können meint. Die prüfende, abwägende Einstellung, der Fokus auf den einzelnen Menschen, das sehe ich als größten Vorteil der Umbrucherfahrungen an. Das ermöglicht mir auch ein Handeln nach meinem persönlichen Motto „Es gibt niemanden, von dem ich nichts lernen kann“.

Selbstvergewisserung durch geistige Grenzziehung ist vergeudete Energie. Ich wünsche mir weniger vermeintliches Wissen und mehr (Selbst)Zweifel, tiefgreifende Fragen statt schneller Antworten. Strukturprobleme sind gesamtgesellschaftliche Fragen, dazu zählt die medial-politische Ausrichtung auf urbane Zentren, die nicht zukunftsfähige Finanzierung der Strukturen ländlicher Räume, der immer noch anhaltende Wille zur weiteren Zentralisierung.  Es bedarf einer Debatte über Leuchttürme (mit langen Schatten) und schwindender, lokaler Gestaltungsmöglichkeiten. Erfahrungen sind Ressourcen, aber nur wenn sie Kommunikationsräume finden, angemessen ausgedrückt werden können und aufgegriffen werden.

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