Ein Korb voll Glück

Das ganze Tier verwerten, Essen wie Vorgestern… oder wie Morgen?

„From nose to tail“ ist eine Idee, die sich als Gegenbewegung für bewusste Genießer versteht. Leider werden heute von Schlachttieren unglaublich große Anteile weggeworfen, eine unnötige und dumme Verschwendung, durch die zudem jede Menge kulinarischer Abwechslung verloren gegangen ist.  „Ein Filet rosa braten kann ja jeder“, aber was ist mit Haxen, Lappen oder Innereien anzufangen? Kürzlich haben wir, wie jedes Jahr, ein ganzes Schaf von einer bekannten und befreundeten Schäferin gekauft. Ich möchte in einer Reihe von Beiträgen Ideen und Anregungen teilen, wie man jedes einzelne Teil des Tieres verarbeiten und verwerten kann.

Alle Rezepte kann man auch mit Ziegenfleisch zubereiten

Alle Rezepte kann man auch mit Ziegenfleisch zubereiten

Die Menge an Fleisch, die ein Schaf gibt, ist gar nicht so groß wie man denkt und mit ein bisschen Planung und Lagermöglichkeit kann man so ein „From nose to tail Projekt“ ohne Probleme auch mal selbst angehen. Es könnte sein, dass man danach mit mehr Aufmerksamkeit und Achtung Fleisch genießt. Auf alle Fälle ist es eine köstliche Zeitreise, von der man sich nur fragt, ob sie wirklich in die Vergangenheit (wo unsere Großeltern selbstverständlich fanden, was wir heute als neues Bewusstsein feiern) oder in die Zukunft führt, wo wir wieder lernen mit Genuss und Verstand zu essen.

Das ganze Schaf, zerlegt vom Fleischer

Das ganze Schaf, zerlegt vom Fleischer

Weidehaltung ist mehr als eine Art der Haltung von Tieren, es ist zugleich ein Beitrag zur Landschafts- und Naturpflege, ein Ausdruck von Tradition und dörflicher Identität. Besonders gut kann man das an der Haltung von Schafen und Ziegen beobachten, die bei uns in der Oberlausitz glücklicherweise auch heute noch häufig in der Natur ihr Futter selbst suchen dürfen. Wer gern Lamm isst, sollte sich in seiner näheren Umgebung umsehen und einen Schäfer ansprechen. Das Fleisch der Tiere aus der Oberlausitz ist von ganz anderer Qualität als importiertes Lamm aus Neuseeland. Manchmal hört man „Lamm habe ich mal gegessen, war tranig, mag ich nicht“. Nun, es lohnt sich, dem Genuss eine zweite Chance zu geben. Denn gerade Tiere aus extensiver Haltung und von den von Schäfern bevorzugten alten und robusten Rassen, liefern köstliches Fleisch.

Viele Schäfer bieten jetzt im Herbst frisches Schaf oder Lamm an. Manchmal denken Menschen, Lamm bedeute, dass sehr kleine und junge Tiere geschlachtet werden und scheuen deswegen davor zurück. Aber das stimmt nicht. Wer sich jetzt für ein Schaf entscheidet, wird ein erwachsenes Tier bekommen, das den ganzen Sommer draußen auf der Weide verbringen durfte. Auch ältere Tiere, die mehrere Jahre auf der Weise waren, werden angeboten. Bei alten Nutzierrassen ist das kein Problem – das Fleisch gerade der älteren Tiere ist intensiv und hat einen charakteristischen Geschmack, aber es ist weder tranig noch hat es eine unangenehme Note.

Fleisch muss reifen

Fleisch muss reifen

Unsere Schäferin organisiert Schlachtung und Fleischbeschau, fragt an, wie wir das Tier zerlegt haben möchten und spricht mit uns die Termine ab, so dass wir gut vorbereitet sind, wenn unser Wintervorrat geliefert wird. Wer etwas Zeit und Lust auf Genuss hat, sollte sich auch „seinen“ Schäfer oder Hof suchen, dann wächst eine intensive Bekanntschaft und man gewinnt Vertrauen in die Qualität. Zusätzlich wird man dadurch belohnt, dass man viel über die anspruchsvolle und anstrengende Arbeit erfährt. Der Wandel der Jahreszeiten bedeutet feste Pflichten im Schäferjahr, wenn man das erlebt, bekommt man wieder Verbindung mit der uns umgebenden Natur. Herden sind soziale Verbände mit Regeln und Ordnungen. Leider geht dieses Wissen heute ebenso verloren, wie die Kenntnisse darüber, dass extensiv beweidete Wiesen zu den artenreichsten Biotopen unserer Oberlausitzer Vorgebirgslandschaft gehören.

Zurück zum kulinarischen Anspruch des Projekts. Als Erstes muss man sich entscheiden, ob man das Fleisch beim Fleischer, wo geschlachtet wurde, abhängen lassen möchte, oder das zu Hause tun will. Wir haben uns für diesen Zweck einen gesonderten Reifekühlschrank besorgt, eine Investition in Genuss und Nachhaltigkeit wie wir finden. Die Teile des grob zerlegten Schafs werden darin 7 – 10 Tage reifen. Dabei muss aber beachtet werden, dass sie sich nicht überdecken. Jedes Teil muss ringsherum Luft haben, sonst besteht die Gefahr von Verderb.

Zu unserem Schaf gehören natürlich auch die Innereien. Außer dem Pansen (den bekommen die Hütehunde) kaufen wir alle Teile zusätzlich zum Muskelfleisch. Und mit den inneren Werten fängt unsere Speisereise auch an, denn diese sollten möglichst sofort verarbeitet werden, da sie von anderer Konsistenz und Qualität sind und sich nicht zum Reifen eignen.

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