Ein Liter saure Milch
Das klingt nicht wie der Anfang eines Rezepts, das dem Leser ein „hm, lecker” entlockt, oder? Aber ich verspreche, es ist sehr, sehr lecker und dazu einfach und praktisch. Milch vom Bauernhof gehört zu den besonderen Köstlichkeiten, die man auf dem Land recht oft bekommen kann. Ob zu den Melkzeiten am Stall oder bei der Milchtankstelle – frische Rohmilch kann man als Kunde vor Ort kaufen. Im Bioladen heißt das Produkt „Vorzugsmilch“. Diese Milch nenne ich immer gern „richtige Milch“, denn es ist ein ursprüngliches und unbehandeltes Lebensmittel, mit dem man sorgsam umgehen muss und das sich auch nicht so lange hält. Diese Milch wird aber nicht schlecht, wenn man es auch umgangssprachlich so nennt, sie wird einfach sauer. Diese eingedickte Milch kennen manche auch noch unter dem Namen „Dickmilch“ oder „Sauermilch“.
Kürzlich hatte ich wieder ein paar Flaschen frische Milch da und konnte sie nicht so rasch verbrauchen wie geplant. Als ich merkte, dass eine Flasche davon einen „Stich“ bekommen hatte (auch so ein uralter Begriff) habe ich mich zuerst geärgert und dann gefreut. Was für eine gute Gelegenheit, mal wieder etwas zuzubereiten, was ich schon lange nicht mehr gemacht habe: Quark! Dafür lasse ich die Milch, locker verschlossen, eine Nacht in der warmen Küche stehen. Damit hat man schon mal die erste Zutat: Zeit. Ansonsten braucht es nicht viel: ein Sieb, ein sauberes Baumwoll- oder Leinentuch, eine Schüssel und etwas Geduld.
Quark
Für den Quark bereite ich ein Sieb mit dem Frischen Tuch aus und lege dieses Sieb so über die Schüssel, dass sich die ablaufende Molke sammeln kann. Nach und nach wird dann die gestockte Milch vorsichtig in das Sieb gegossen. Der Quark sammelt sich im Tuch und die Molke läuft ab. Der Prozess braucht einfach Zeit, am besten, man lässt alles abgedeckt über Nacht stehen. Ob der Quark eher fest oder eher locker wird, hängt davon ab, wie viel Flüssigkeit darin verleibt. Man kann ihn auch vorsichtig ausdrücken, wenn man den Quark fester haben möchte. Der fertige Quark wird aus dem Tuch in eine Schale gefüllt und mit Leinöl und frischen Kräutern, Salz und Pfeffer angerichtet.
Erdbeer-Molke, wunderbar erfrischend
Die Molke wird beim Quark machen leider oft weg geschüttet, dabei ist sie gesund und köstlich. Einen Teil habe ich einfach mit einem Teelöffel Honig und ein paar frischen Erdbeeren püriert und als frisch-fruchtiges Getränkt am Nachmittag im Garten unterm Pflaumenbaum genossen, genau das Richtige für einen warmen Sommertag!
Pfannkuchen nach ukrainischer Tradition
Einen anderen Teil der Molke möchte ich aber für ein klassisches Gericht verwenden, dass in der Ukraine als „Mlinzi“ bekannt ist und das ich besonders mag. Dafür wird in etwas Molke ein Viertel Würfel Hefe mit etwas Honig aufgelöst und 5 Minuten stehen gelassen. Anschließend kommt die angefütterte Hefe in einen halben Liter Molke, dazu zwei Eier und Mehl. Klassisch kann man helles Pfannkuchenmehl oder Buchweizenmehl verwenden. Ich kombiniere das auch gern mit Hafermehl oder Gerstenmehl – erlaubt ist, was schmeckt. Wenn man Roggenmehl verwendet, werden die Pfannkuchen säuerlich-herzhafter und schwerer, Buchweizen gibt eine feine, nussige Note, Hafer ist sehr mild und heilend, genau wie Gerste. Wichtig ist es, das gesiebte Mehl nach und nach hinzuzugeben und den Teig gut mit einem Schneebesen zu verschlagen, damit keine Klümpchen entstehen. Der Teig sollte so flüssig sein, dass man die Spuren des Schneebesens gut sehen kann. Gewürzt wird nur mit etwas Salz, dann braucht der Teig 30 Minuten zu gehen.
In einer beschichteten Pfanne ohne Fett gebacken sind die Pfannkuchen leicht, fluffig und sehr saftig. Man serviert sie sofort, oder lässt sie auf einem Kuchengitter auskühlen. Am besten schmecken die Mlinzi mit dem Quark, den man aus der Milch zubereitet hat mit einem Glas frischer Erdbeermolke. Besser kann man einen Liter saure Milch kaum verwenden finde ich. Sollte etwas übrig bleiben, kann man es am nächsten Tag auch kalt genießen.
Milch ist nicht gleich Milch
Das Rezept gelingt auch gut mit nicht homogenisierter, normaler Milch aus dem Bioladen. Andere, hoch verarbeitete Milchsorten eignen sich hingegen nicht dafür. Diese Milch wird nicht mehr sauer, sondern wirklich schlecht – bitter und untrinkbar. Noch ein Wort zur Rohmilch. Man soll diese (eigentlich) immer vor dem Verzehr abkochen. Ich mache das seit vielen Jahren nicht, weil ich mir bewusst bin, dass es ein besonderes Lebensmittel ist und ich damit auch vorsichtig umgehen muss. Wer das probieren möchte, sollte sich gut informieren und auch langsam anfangen. Das ist ein bisschen wie bei Rohkost oder Vollkorn – viel hilft nicht immer gleich viel. Egal ob Bio-Laden-Milch oder Bauernhof-Milch, probiert das Rezept aus, wenn euch doch mal eine Flasche davon sauer geworden sein sollte. Denn sauer ist nicht schlecht, sondern köstlich.
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